Surface / The Show

„Was wird aus einer Rockband, wenn man alles wegnimmt, was im Normalfall eine Rockband ausmacht?“

Es war während eines Lockdown-Fensters im Sommer 2020, als GØRL-Producer und Bandmitglied Peter Zirbs die Frage in die Runde stellte. Einer der seltenen Anlässe für ein persönliches Bandtreffen nach mehreren Skype-Sessions, teils mit Instrumenten, teils mit Bier.

In einer Zeit, die keinen Stein auf dem anderen lässt, ist auch eine Rockband gefordert, der allgegenwärtigen Transformation Rechnung zu tragen.

Und so drängten sich neue Fragen auf: Was bleibt von einer Band, die alle Insignien des Rock'n'Roll abgibt? Was bleibt von einer Band, die nicht wie gewohnt im Proberaum, Studio, auf Bühnen, backstage und in ihren Lieblingskneipen die gewohnte Nestwärme sucht und findet?

Das Quartett entscheidet, nicht nur im Notlösungsmodus weiterzumachen, sondern die Reduktion zum Konzept zu erheben.

Wo zuvor noch die größere Geste, die bessere Pose zählte, richtet sich im Laufe des letzten Jahres der Blick nach innen – das Fernrohr wird zum Mikroskop.

Aus Rock-Arrangements wurden Collagen aus Home-Recordings und Sample-Experimenten. Songs wurden in skelettierten Versionen gemailt, Band-Akzente durch einzelne Improvisationen auf Minimalinstrumentarium ge-added.

So entstand via Distanz eine neue Nähe; zur Extrovertiertheit kam eine gehörige Portion Introspektive.

Frontfrau Mikala Nørgaard: „Wir haben nichts behirnt. Auf einmal war alles ganz logisch.“

Aus der Band GØRL wurde ex abrupto eine Petrischale, in der sich Rock-Fragmente, Weltanschauungen und Gefühle einer Fermentation unterziehen. Und nichts ist mehr so, wie es einmal war. Fast nichts. Geblieben ist die Lust an Zeit-Sprüngen und Stil-Zitaten – von Billy Idol bis Billie Eilish.

Nach dem Debütalbum „Gold“ (2019/Puppegold) erscheinen so nun mit ”Surface“ und “The Show” im Herbst 2021 zwei brandneue Songs.
Surface

Das Geschehen hat sich in den vergangenen 15 Monaten noch mehr vom real life in die digitale Welt und die sozialen Medien verlagert. Wie ausschlaggebend ist denn nun das eigene virtuelle Selbstbild? Lohnt es sich, für „Likes“ zu leben? Und ab wie wenig Audience beginnt die Depression? Gibt es das überhaupt, das perfekte zweidimensionale Abbild vom dreidimensionalen Menschen?
Die Single „Surface“ geht dem verständlichen und dennoch unerfüllbaren Wunsch nach, endlich selbst so makellos zu sein wie die millionenfach angeklickten Konterfeis. Denn längst ist das Posting nicht mehr die Inszenierung des Lebens, sondern das Leben die Inszenierung auf der Suche nach dem perfekten Posting.


The Show

Die letzte Flasche ist geleert, die letzten Besucher*innen haben die Halle verlassen. Von der so kunstvoll aufgetragenen Bühnenschminke ist nur mehr eine verschmierte Grimasse übriggeblieben. Und spätestens ab dem Zeitpunkt, zu dem keine Selbstgedrehte, sondern nur noch die Notbeleuchtung glimmt, ist klar: Die Show ist vorbei.
Dass es dabei nicht zwangsläufig nur um eine Bühnendarbietung, sondern auch um persönliche Beziehungen oder vielleicht sogar den Zustand unseres Planeten gehen mag, bleibt dem Auge der Betrachter überlassen. Die Single „The Show“ greift dieses Gefühl jedenfalls auf und verweist positiv in die nahe Zukunft: Die Show mag vorbei sein, aber es war nicht die letzte. Schon bald wird sich das Rad weiterdrehen, der Vorhang wieder öffnen und die Scheinwerfer erstrahlen. Nach der Show ist vor der Show.

Über Mikala Nørgaard

Im dänischen Hillerød geboren, zelebrierte und demontierte Mikala Nørgaard früh lustvoll männliche Rockklischees. Mit 12 steckte sie sich Socken in die Hose, um als männlicher Sänger in der Schulband durchzugehen. Ihre auffällige Körpergröße und die tiefe Stimme trugen das Ihre dazu bei.

Ihre musikalische Reise führte über einige Länder und Genres, bis sie in Wien eine neue Heimat und – ihre Band fand. Ihre Neigung zu eklektischen Stil-Mixes kann der glühende Elvis-Fan mit dem Wiener Producer und Elektronik-Pionier Peter Zirbs in neuen