Alleine

Es klingt ironisch, aber man kann sich mitten unter Leuten, im Zentrum von Trubel, Terminen und Geschäftigkeit, einsam fühlen. Berenice wäre nicht die Künstlerin die sie ist, könnte sie dieses Gefühl nicht einfangen und in einen Song umformulieren. Hierfür hat sie sich selbst ans Klavier gesetzt, den Ort der immer geduldig auf sie wartet wenn das Leben sie mal wieder durchgeschüttelt hat. Bescheiden sagt sie von sich ihr Spiel sei nicht perfekt, aber Emotion sei der Perfektion immer vorzuziehen. Wenn dabei Stücke wie "Alleine" entstehen, kann man nicht anders als ihr Recht geben.

Produziert von Mathias "LeMatrix" Roska fällt ihre zweite Single als Solo-Künstlerin theatralisch aus, und erzählt über einen langen Spannungsbogen ihre Geschichte, wie man es nur von den Balladen der ganz großen Chanteusen kennt. Fragil flüsternd etabliert Berenice die Stimmung, und transportiert diese bis in opulente Höhen, einen emotionalen Climax zum großen Finale in dem sie einmal mehr ihr Talent als Ausnahmesängerin unter Beweis stellt. Berenice ist Vollblut-Entertainerin, hat aber als Songwriterin einen scharfen Blick für Geschichten und Motive. Die Irrungen und Wirrungen, der Konflikt verschiedener Bedürfnisse, Träume die an einem vorüberziehen und Ziele die es nicht gibt: all das wurde hier in Liedform gegossen, und Einsamkeit klang noch nie so schön. Natürlich ist "Alleine" kein rein autobiografischer Song. Vielmehr hat Berenice ein Lied geschrieben das Trost spenden kann: schau, auch mir geht es manchmal so.

Das Bild allein in der Menge zu sein ist in seiner Widersprüchlichkeit sehr poetisch. Berenice zeichnet es mit feinen Pinselstrichen auf einer Leinwand sorgsam orchestrierter Instrumentierung. Auch hat sie sich dazu entschieden nicht in ihrem Heimat-Dialekt zu singen. Gründe dafür gibt es einige: ihre Kunst trägt sie in die Welt, da gibt es für Berenice keine Grenzen. Ihre Heimat ist aber ihr Hafen, dort ist

sie mehr Mensch als denn Künstlerin und das steht ihr wie jeder anderen Seele zu. Und man kann beruhigt sein, man mag diese junge Sängerin zwar aus der Steiermark herausholen können, die Steiermark aber nicht aus ihr.

Mit "Alleine" hat Berenice einmal die Zeit angehalten, sich der Melancholie hingegeben, und ist in ihrer eigenen Gefühlswelt auf eine Erkundungsreise gegangen. So wie der Song sich selbst stetig auftürmt und zum Schluss ihre Stimme erstarkt über allem thronen lässt, so ist dieses Innehalten auch in ihrem Leben nicht von langer Dauer. Schließlich warten der nächste Radiotermin, der nächste Flieger, das nächste Hotel... und Abends nach der Show sitzt sie wieder an ihrem Klavier und singt "Alleine", für sich selbst aber vor allem für uns alle.