The Red River Two

Mit das Schönste, was es in Großstädten – wie etwa Wien – zu sehen gibt sind öffentliche Uhren, die nicht die korrekte Zeit anzeigen. Eine Ahnung von Freiheit und die Spur einer Welt, die sich anders, unbekümmerter dreht. Auch THE RED RIVER TWO haben ihre eigene Zeit. 8 Jahre nach ihrer Gründung, 5 Jahre nach ihrem ersten, vergriffenen Tonträger „Story Of A Heart“ (Sänger Red River One aka Rainer Krispel besitzt selbst keinen!) erscheint ihr erstes Album. 12 eigene Songs und eine Coverversion, das für diese Band von jeher programmatische „Border Radio“. Dave Alvin läßt darin seiner Heldin um Mitternacht (in der Küche?) übers Radio ausrichten: „This one comes from 1962, dedicated to a man who´s gone/50.000 Watts out of mexico/this is the border radio“. Bei THE RED RIVER TWO kommen die guten Dinge, die Nachrichten vom echten Leben, das ein noch Besseres sein muss oft von jenseits der Grenzen, die sie, sofern es in ihren Möglichkeiten liegt, aufmachen soweit es geht. Um hereinzulassen, whatever comes … Küche? Es war in der von Red River Two aka Ernst Molden, in einer Küche, die es so bald nicht mehr gibt, wo THE RED RIVER TWO geboren wurden. Zwei Freunde, die miteinander gesungen haben, für sich, Songs, die sie schon immer geliebt haben. Cash, The Clash, Dylan, Earle, Gun Club, Kristofferson, Young oder Waits. Für Krispel eine Befreiung, beinahe eine Offenbarung seine Stimme ohne das Bass-Schlagzeug-Gitarren-Gewitter der angestammten Punk/Hardcore-Formation Seven Sioux einzusetzen, für Molden leidenschaftlich willkommene Gelegenheit mit seiner Gitarre (und occasional harp) noch weiter und tiefer zu wandern. Für beide ein gemeinsamer Wunder-Trip in grosse Songs, ihre Bauart, ihre Grammatik, ihre sinnliche Logik, aber viel mehr noch in ihre Schönheit, Klarheit und Kraft. Ein Trip, der seither rückkoppelt auf die Dinge, die Molden und Krispel sonst so treiben, der ihr Schreiben und ihre Musik durchwirkt (und umgekehrt). Die „hobos on vodka“, als die sich Red River One und Red River Two im „Theme Song“ deklarieren spielten live, schrieben eigene Songs, wuchsen (wucherten?) mit Rob Niedl (Rucki Zucki Palmencombo) am Schlagzeug zum Trio und mit Marlene Lacherstorfer (Velojet) am Bass zum Quartett. Als Band waren und sind THE RED RIVER TWO nahe am Leben ihrer Protagonisten gebaut, in diesen Leben. So stecken in diesen Songs, die jetzt endlich ein Album sein wollten, eine Menge Dinge und, genau, Zeit. Gebrochene Herzen, verwirrte Herzen, geheilte und glückliche Herzen, die gute alte Liebe. „Baddest shit that happens/hangovers and smashed doors/strange smells and dearranged looks/spaceships landing early and stars that shine like headlights and sun risin´ out of time“ heisst es in „Sun Risin´ Out Of Time“. Die ganz elementaren Erfahrungen, die Depressionen und Ängste („been low today/got high last night“), jede Menge Neben- und Untertöne, seltsame, gern spooky Stimmungen und Befindlichkeiten („God´s Own Freaky Melody“, „Silver Cross“, „Deedle Doom Die“). Americana of a different kind? Americana ohne Amerika? THE RED RIVER TWO vermessen ein Land der 1000 Möglichkeiten hier, machen sich die Weite hier, umarmen den schrägen Blick, prosten den verrückten Dingen und Menschen zu, reisen unerschrocken mit „the hard boys.“ In der Hochzeit des Digital-Drucks verneigen THE RED RIVER TWO sich vor Johannes Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks („Gutenberg Done Good“). Aufgenommen wurde „The Red River Two“ mit Daniel Grailach (A Life, A Song, A Cigarette, Mauracher). Jimmy-Lee aka Red River Slim hat Pedal Steel gespielt. Hören Sie! (Muss gar nicht in der Küche sein).