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Lebendige Vergangenheit - Marie-Luise Schilp

Promotion Text

Lebendige Vergangenheit

"Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze" - besonders auf Sänger traf einst dieser geflügelte Satz zu. Aber nicht alle Sprichwörter gelten ewig: Schallplatte und Tonband haben die Stimme manches historischen Künstlers erhalten. Allerdings geben alte Schallplatten nicht mehr als gerade den Namen des Interpreten an. Bei vermeintlich bekannten Sängern stellt sich nicht selten heraus, daß es wenig Informationen über ihren Lebensweg gibt. So genoß die Deutsche Mezzosopranistin Marie-Luise Schilp in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts einen ausgezeichneten Ruf. Einige ihrer Rundfunkaufnahmen sind auch auf LP und CD erschienen. Für die inzwischen üblichen Begleittexte fand sich jedoch nur wenig Material. Bis in die frühen fünfziger Jahre war sie eine der gefragtesten Solistinnen des Hessischen Rundfunks, wo einige ihrer besten Aufnahmen entstanden. Relativ früh zog sie sich jedoch ganz ins Privatleben zurück. Seitdem verliert sich ihre Spur. Marie-Luise Schilp hätte einen umfangreicheren Nachruhm verdient. Sie war schon deshalb eine Ausnahmeerscheinung, weil sie ihrem Gesang nicht die gerade im Mezzo- und Altfach gern übertriebene dunkle Färbung gab. Ihre so unterschiedlichen Bühnenfiguren von Cherubino, Octavian bis Hänsel, Orlofsky oder Feodor, von Dorabella und Carmen bis Olga oder Pauline erschienen durch den helleren Naturklang ihrer Stimme jünger und glaubhafter als durch die künstliche Stimmfülle herkömmlicher Altistinnen. Sie wurde jedoch auch den zahlreichen Mutterfiguren ihres Faches gerecht, denen sie durch ihre Gesangsform größere Nuancierungen verleihen konnte. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß die meisten ihrer im Hessischen Rundfunk entstandenen Aufnahmen durch die unbegreifliche Löschwut des frühen Stereo-Zeitalters vernichtet wurden. Unersetzliche Tondokumente - übrigens nicht nur der Schilp, sondern der ersten Nachkriegsjahre überhaupt -gingen dadurch verloren. "Posterity weaves no wreaths for mimes" -this quotation once applied especially to singers. But maxims are not eternally valid, and records and tapes have preserved the voice of many a historical artist. However, old recordings often provide us with no more than the name of the artist. In the case of some presumably well-known singers, we frequentIy discover that little is known about their lives. The German mezzo-soprano Marie-Luise Schilp, for example, enjoyed an excellent reputation during the 1930s and 40s. Some of the recordings she made for radio have even been released on LP or CD, but little material has been available for the now-customary record sleeves and CD booklets. Until the early 1950s Schilp was one of the most sought-after soloists at Hessian Radio, where some of her best recordings were made. She retired to private life at a relatively young age, however, and all traces of her were subsequently lost. Marie Luise Schilp deserves to be better remembered. She was exceptional in one respect for not darkening her voice in the exaggerated manner that is so typical of mezzo-sopranos and altos. The brighter, natural quality of her voice makes the varied roles she played -from Cherubino and Octavian to Hänsel, Orlofsky and Feodor, from Dorabella and Carmen to Olga and Pauline -seem younger and more convincing than does the artificial vocal body of conventional altos. But she was also well suited to the numerous mother figures she played, roles to which her singing style gave greater nuance and shading. It is extremely unfortunate that most of the recordings she made for Hessian Radio were inexplicably erased, along with so many others in the early days of the stereo age. Irreplaceable tonal documentation -not just of Schilp but of much of the early post-war years -was thus lost forever.